Entgiftung #9: Rückschlag

Ich habe mir das alles leichter vorgestellt. Einfacher. Und momentan hänge ich – wieder einmal – einfach ziemlich in der Luft. Als gestern am Morgen ein paar Minuten nachdem ich aufgestanden bin die Stationsärztin in meinem Zimmer stand, um mit mir über die weitere Abdosierung zu sprechen, hab ich sie in meinen Plan eingeweiht. Und einfach nur so sehr gehofft, dass sie mitspielt. Ich habe am Wochenende schon mal bei der Pflege „vorgefühlt“ und ausprobiert wie es ist, meinen Plan in Worte zu fassen und auszusprechen – da konnte ich das wirklich gut erklären und wurde sogar gelobt dafür, dass ich mir so viele Gedanken mache und langfristig denke. Bei der Ärztin leider nicht. Es war viel zu früh, ich viel zu müde und um ehrlich zu sein hätte ich mit dem Gespräch erst heute gerechnet.

Sie fand meine Idee nicht gut. Hat mich davon überzeugen wollen, es einfach mal zu probieren auf 0 zu gehen. Ich glaube, Sie können das aushalten hat sie gesagt. Und ja. Ich könnte das aushalten. So wie ich immer alles aushalte. Weil man mir keine Wahl lässt. Weil man mich dazu zwingt. Aber ich möchte es einfach nicht mehr aushalten. Obendrauf hat sie dann auch noch meine Entzugssymptome als psychosomatisch abgestempelt. Weil die Symptome nicht typisch sind. Wo ist bitte schwitzen und frieren untypisch für einen Opiatentzug? Und um noch einen draufzusetzen durfte ich das Pola an diesem Morgen nicht um halb 8 sondern erst um 10 Uhr nehmen. Warum auch immer. Pure Willkür.

Ich konnte dann nicht mehr anders und habe einfach bei einem Mitpatienten (der früher selber opiatabhängig war) in den Armen gehangen und geweint. Geweint und geweint und geweint. Es war alles so furchtbar. So ungerecht. Und ich war das aushalten so leid…

Um halb 10 habe ich mich so furchtbar gefühlt, dass ich am liebsten nach Hause fahren und alles schlucken wollte, das ich vor dem Aufenthalt hier nicht verbraucht habe. Schlucken oder doch irgendwie nadelgängig machen und einfach spritzen wollte. Ich habe wieder geweint, und bin zerknirscht zur Pflege gegangen.

Die Pflegerin war so unfassbar nett. Hat gesagt, dass sie es für völligen Unsinn hält, mich mit dem Pola jetzt warten zu lassen, und es mir illegalerweise doch schon früher gegeben. Sie hat lange mit mir gesprochen. Mich beruhigt. Und mir gesagt, dass sie die Doku gelesen hat und die Stationsärztin in der Doku gar nicht das geschrieben hat, was sie mir gesagt hat. Dass es vielleicht wirklich eine Option wäre. Und ich einfach warten musste, bis das Team das mit dem Oberarzt besprochen hat.

Ich habe gewartet. Habe sechs Stunden auf den Oberarzt gewartet, bis er endlich kam. Er kam, fand die Idee mit der Substitution auch nicht gut und hat ebenfalls versucht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Auch da war ich es leid. Habe – wieder einmal – gesagt, dass ich das warten satt habe. Wieder einmal meinen Plan erklärt und warum die anderen – vielleicht besseren – Wege momentan einfach nicht gehen. Obwohl alle Ärzte hier nicht begeistert davon sind, wollten sie mir am Ende doch ermöglichen, es wenigstens einmal zu versuchen. Morgen sollte ich Bescheid bekommen, nachdem der Oberarzt mit der Substitutionsambulanz gesprochen hat.

Er kam heute schon auf mich zu, und um 14:30 Uhr hatte ich meinen ersten Termin bei der Substi-Ambulanz. Einen Termin, der schlimmer war als jedes Bewerbungsgespräch, das ich bisher geführt habe. Ich habe dort die Sozpäd und Ärztin direkt beide kennengelernt, und auch wenn es danach aussah, als fänden sie manche meiner Antworten auf ihre Fragen nicht optimal, besprechen sie meinen Fall morgen im Team und melden sich anschließend auf meiner Station.

Es macht mich fertig. Das Warten. Die Ungewissheit. Und die Tatsache, dass es jeden Tag nur einen winzigen Schritt nach vorne geht. Ich bin seit drei Wochen hier, und eigentlich sind die bei den meisten Patienten das Maximum. Ich bin die einzige, die kein Entlassdatum hat, die einfach überhaupt nichts weiß, überhaupt nichts planen kann.

Ich wünsche mir einfach so sehr, dass das alles funktionieren kann.

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